Fischotterseminar

Fischotter

Der Fischotter ist zurück. So oder so ähnlich könnte die Überschrift zu diesem Bericht lauten. Die Bestandszahlen steigen mittlerweile (erfreulicherweise?) immer weiter an wobei man hier natürlich vorsichtig sein muss, da es kaum eine belastbare Datengrundlage über die Populationsdynamik der letzten Jahrzehnte beim Fischotter gibt. Das hat auch der Landesfischereiverband Bayern erkannt und bietet seit mittlerweile fast einem halben  Jahrzehnt die kostenlosen Fischotterseminare für seine Mitglieder an. Bereits 2018 durfte ich für meinen Angelverein das erste Mal an dem Seminar teilnehmen. Damals gestaltete sich das Programm verständlicherweise etwas anders, beispielsweise konnte man nach der ganzen Theorie sein Wissen am Nachmittag gleich in die Praxis umsetzen, heißt im Klartext: Es ging auf Spurensuche direkt am Wasser. Mittlerweile sind Präsenzveranstaltungen leider kaum möglich ohne ein entsprechendes strenges Hygienekonzept. Um es den Teilnehmern möglichst einfach zu gestalten, fand das Seminar daher Ende 2021 an einem Samstag online von 10-14:30 mit einer halbstündigen Mittagspause statt.

Um es vorwegzunehmen, der praktische Teil in Form von Spurensuche am Wasser, Herumgabe von in Gips gegossenen Prantenabdrücken oder das Schnüffeln an einer Kotprobe (lecker…) entfiel natürlich. Stattdessen wurden die Exponate „digital“ präsentiert. Aber der Reihe nach.

Das erklärte Ziel des Landesfischereiverbands Bayern im Fall des Fischotters ist einerseits Aufklärung und Sensibilisierung der angelnden Bevölkerung durch das Seminar als auch Gewinnung von Populationsdaten durch freiwillige Helfer die sich ehrenamtlich am Monitoring beteiligen und mit der Materie auskennen. Langfristig dürfte es hier letztendlich darauf hinaus laufen, dass man den Fischotter in Einzelfällen entnehmen darf.

Ein entsprechender Vorstoß diesbezüglich scheiterte aber aktuell an dem Veto der anderen Naturschutzverbände mit dem Verweis auf fehlende Populationsdaten und dem Schutzstatus des Wassermarders. Auch die Wahl des Fischotters zum Wildtier des Jahres 2021 dürfte manchem Betroffenen (vor allem den Teichwirten) sicherlich wie eine Provokation vorgekommen sein.

Das Seminar gliederte sich in mehrere Sachgebiete, die größtenteils ineinander verflossen.

  • Biologie und Nahrung des Fischotters
  • Verbreitungsgebiet und Bestand
  • Rechtliche Lage
  • Fischottermonitoring

Typischer Riss eines Fischotters

Die Biologie des Fischotters kann man recht kurz und prägnant zusammenfassen. Der Fischotter ist der Längste (nicht der Schwerste) einheimische Marder. Nur der Dachs ist noch schwerer. Seine Gesamtlänge kann bis zu ~130cm betragen wobei hiervon maximal ~45cm auf den Schwanz, die sogenannte Rute, entfallen. Das Gewicht eines ausgewachsenen Otters liegt in etwa zwischen 7- 12kg – je nach Geschlecht. Die Männchen (Rüden) sind mit bis zu 12kg deutlich schwerer als die Weibchen (Fähen).

Das Gebiss besteht aus 36 Zähnen (kein anderer einheimischer Marder hat 36 Zähne, die heimischen Wiesel haben 34 Zähne, Baummarder, Steinmarder und Dachs haben jeweils 38 Zähne). Im Gegensatz zu Biber, Bisam und Nutria hat der Fischotter sowohl an den Vorder- als auch an den Hinterpranten (Pfoten) Schwimmhäute zwischen den Zehen. Im weichen Sand kann man diese auch einigermaßen gut an den Abdrücken erkennen. An den Pranten/Pfoten besitzt der Otter neben den Schwimmhäuten auch 5 Zehen mit kurzen Krallen. Diese ermöglichen es ihm seine glitschige Beute fest zu packen.

Tagsüber wird man den Otter eher selten sehen da er, wie die meisten Marderartigen (abgesehen von den Wieseln), dämmerungs- und nachtaktiv ist. Dieser Umstand macht es auch recht schwierig, genaue Bestandszahlen zu ermitteln. Tagsüber verbringt der Otter die meiste Zeit in seinem am Ufer gelegenen Bau. Dieser hat immer einen Eingang unterhalb der Wasserlinie und einen Notausstieg Richtung Land. Besagter Notausstieg dient gleichzeitig auch der Belüftung des Baus. Tagesverstecke können aber auch Fuchs-, Dachs- und Biberbauten sein.

Der Körperbau des Otters ist perfekt an seinen ursprünglichen Lebensraum angepasst. Der abgeflachte Kopf sowie der stromlinienförmig geformte Körper ermöglichen es dem Otter sowohl an Land als auch im Wasser Geschwindigkeiten von über 7km/h zu erreichen. Ähnlich wie beim Biber dient der Schwanz gleichzeitig als Fettreservoir.

Die Fortpflanzung, die sogenannten Ranz, findet hauptsächlich im Frühjahr (Februar / März) statt, ist aber das ganze Jahr über möglich. Im Gegensatz zu einigen anderen Marderartigen gibt es beim Fischotter keine Eiruhe (verzögerte Embryonalreifung). Die Tragzeit selbst beträgt etwa 2 Monate (~63 Tage). Die durchschnittlich 2-4 Jungen werden blind und nur leicht behaart geboren. Die Augen öffnen sich nach spätestens 35 Tagen. Die Nahrung besteht in den ersten Wochen nur aus der Muttermilch. Nach ca. 5 Monaten versiegt die Muttermilch bei der Fähe. Nach ca. 6-10 Monaten sind die Jungotter soweit selbstständig und bedürfen der Führung durch das Muttertier nicht mehr.

Fischotter Schädel (Präparat aus der Jagdausbildung)

Je nach Geschlecht werden die Jungtiere nach 2-3 Jahren selbst geschlechtsreif.

Als Nahrung dienen dem Otter nicht nur Fische. Als Nahrungsgeneralist frisst er auch Bisamratten, Krebse, Amphibien und sogar Wasservögel. Bei einem Überangebot an Nahrung kann es vorkommen, dass der Otter sich nur die für ihn nahrhaftesten Teile der Beute holt, der Rest des Kadavers bleibt liegen. Dieser Umstand bereitet vor allen den Teichwirten und Fischzüchtern großes Kopfzerbrechen. Der Nahrungsbedarf des Fischotters liegt bei ca. 1-1,5kg/Tag. Bei trächtigen bzw. stillenden Weibchen kann dieser aber nach oben hin bis zu 2,5kg/Tag  abweichen.

Der aktuell größte Feind des Otters, mal abgesehen von wütenden Teichwirten und verzweifelten Anglern, dürfte der Straßenverkehr sein.

Die Lebenserwartung in freier Wildbahn liegt bei durchschnittlich 5 Jahren, in Gefangenschaft können Otter aber auch über 20 Jahre alt werden.

Der Fischotter war seit jeher in Mitteleuropa heimisch, allerdings ging die Population im 19. Jahrhundert stark zurück, was auf die staatlich angeordnete Jagd zurück zuführen ist. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es bundesweit nur noch wenige freilebende Individuen. Eine weitere Ursache für den Bestandsrückgang dürfte die Industrialisierung und die damit einhergehende Zerstörung des Lebensraumes gewesen sein.

Daten aus dem Jahr 2016 legen nahe, dass es der Otter Deutschland von zwei Seiten her zurückerobert. Einmal von Westen her, hier gibt es stabile Populationen in Frankreich und Spanien, und andererseits von Osten kommend. Hier sind vor allem Polen und Tschechien zu nennen. Nüchtern betrachtet trennt Deutschland aktuell noch die westlichen von den östlichen Populationen ab.

In Deutschland dürften sich die bestandsstärksten Populationen in den Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen und Sachsenanhalt befinden. In Bayern selbst sind Oberfranken, Oberpfalz und Niederbayern bei den Ottern sehr beliebt. Die Datengrundlage hierfür liefert die FFH Kartierung von 2013/2014 sowie eine Studie aus Unterfranken im Jahr 2018. Alleine zwischen 2009 und 2015, also innerhalb von sechs (!!!) Jahren hat sich die Zahl der überfahrenen Otter in Bayern fast verfünffacht(!!!).

Die rechtliche Lage ist aktuell in Deutschland eindeutig. Der Otter fällt unter das Jagdrecht, findet aber auch im Bundesnaturschutzgesetz Erwähnung. Im Jagdrecht genießt er noch ganzjährige Schonzeit.

Darüber hinaus steht der Otter auf der Roten Liste, allerdings hat diese keine rechtlich verbindliche Relevanz. Bestes Beispiel hier ist der Huchen, der ebenfalls auf der Roten Liste steht und trotzdem entnommen werden darf.

Die Daten- und Bestandserhebung bezüglich des Fischotters in Deutschland/Bayern gestaltet sich als nicht ganz einfach. Vor allem durch das Sammeln von Kotproben und anschließender genetischer Untersuchung konnten teils umfangreiche genetische Stammbäume der einzelnen Otter erstellt werden. Wichtig ist hierbei, dass die Kotproben frisch sind, da der genetische Nachweis mit frischem Material am besten gelingt.  Interessant für uns Angler ist vor allem die Tatsache, dass der Wassermarder ungern unter Brücken hindurch schwimmt. Den Weg legt er dann doch meistens an Land zurück und hinterlässt unter einigen der durchwanderten Brücken auch seinen Kot. Aus diesem Grund suchen die am Ottermonitoring beteiligten Mitarbeiter oftmals zuerst unter den vom Menschen geschaffenen Bauwerken nach Losung.

Mittlerweile gibt es auch Hunde, die auf das Aufspüren von Otterkot geschult sind und entsprechend vorstehen, wenn sie irgendwo ein Häufchen wittern. Bedenkt man, dass der Otter  eine recht rege Verdauung hat (der Darm ist wie bei allen Fleischfressern entsprechend kurz), wundert es also nicht, dass man zuerst einige der aromatischen Hinterlassenschaften am Wasser findet bevor man den Verursacher (wenn überhaupt) das erste Mal sieht. Fischotterlosung ist oft durchsetzt mit Fischschuppen und weist einen unverwechselbaren Geruch auf. Gerne wird die Losung auch in sogenannten Scharhaufen abgesetzt. Hierfür schiebt der Otter weichen Sand zu einem Haufen zusammen bevor er seinen „Haufen“ hinein setzt.

Ebenso wichtig für das Monitoring sind Fotofallen. Da Otter territoriale Tiere sind, benutzen sie gerne die gleichen Wechsel um ihr Revier zu durchstreifen. Dies ermöglicht es an den entsprechenden Stellen Fotonachweise der einzelnen Tiere zu erbringen. Ein Männchen toleriert in seinem Revier mehrere Weibchen jedoch keine anderen geschlechtsreifen Männchen. Wie bei den meisten territorial veranlagten Tieren hängt die Reviergröße beim Fischotter auch sehr stark von der Populationsdichte und der Nahrung ab. Eine Pauschalaussage zur Reviergröße ist also entsprechend schwierig.

Nachteilig bei Fotofallen ist, dass man diese nicht einfach so aufstellen darf. Hier gibt es gewisse rechtliche Einschränkungen zu beachten. Zudem sind Fotofallen wenig spezifisch. Bevor man also mal einen Otter auf den  Fotos hat, dürfte man sämtliche Igel, Katzen, Ratten und Füchse der Nachbarschaft abgelichtet haben.

Anhand der Trittsiegel lässt sich die Anwesenheit eines Otters ebenfalls bestätigen. Allerdings verwittern die Spuren recht schnell und man braucht einen passenden Untergrund damit man die Spur eindeutig von der anderer Tiere unterscheiden kann.

Auch sogenannte Fraßplätze, also Orte an denen der Otter seine Nahrung frisst, können die Anwesenheit eines  oder mehrerer Tiere verraten.

Zusätzlich gibt es noch eine sogenannte „Europäische Standardmethode“ zum Nachweis des Fischotters. Sie besteht aber letztlich lediglich aus dem Aufspüren von Kothaufen in einem definierten Areal und ist, was die Aussagekraft betrifft,  daher eher als qualitativ denn quantitativ zu bewerten.

Einzelne Otter lassen sich anhand der individuellen Färbung des Kehlflecks halbwegs unterscheiden. Besagter Kehlfleck variiert farblich zwischen Weiß, Grau und Gelb.

Wenig erbaulich sind die Otterschäden in der Teichwirtschaft, also bei den Leuten, die von der gewerblichen Fischzucht leben und damit ihren Lebensunterhalt bestreiten müssen. Gerade im Bereich Niederbayern / Oberpfalz leiden viele Fischzüchter oder haben bereits hingeschmissen. Ein unkompliziertes Entschädigungsverfahren wie es mittlerweile bei Wolfsrissen üblich ist, gibt es leider noch nicht. Da der Fischotter sehr heimlich und größtenteils nachtaktiv ist, hat man kaum Möglichkeiten die Schäden vor dem Abfischen zu quantifizieren. Erschwerend kommt hinzu, dass die Risse oftmals noch in der gleichen Nacht vom Fuchs oder dem sich mittlerweile immer stärker ausbreitenden Schwarzwild verschleppt oder gefressen werden.

Schutzmöglichkeiten der Fischteiche gibt es zwar auch, allerdings sind diese oftmals schlichtweg nicht wirtschaftlich und teils auch nicht 100% effektiv. Als verhältnismäßig sicher gelten Zäune, diese müssen allerdings in den Boden eingegraben werden und eine gewisse Höhe haben, damit der Otter sie nicht überwinden kann. Hier rechnet man mit ca. 100€/m². Das ist für Nebenerwerbsfischzüchter ebenso unrentabel wie für Vollerwerbsfischzüchter bei denen Teiche oftmals mehrere Hektar Größe haben. Allerdings gibt es hier die Möglichkeit der staatlichen Förderung.

Elektrozäune sind zwar deutlich günstiger aber bei weitem nicht so effektiv. Das Fell des Fischotters hat pro cm²  bis zu 50.000 Haare (zum Vergleich, ein Mensch hat je nach ethnischer Herkunft, Alter und Haarfarbe zwischen ~ 170 und 226 Haare pro cm²) und isoliert somit auch recht gut gegen Strom.

Betroffene Anglervereine bemerken das Vorhandensein des Fischotters in der Regel erst recht spät, z.B. über die Auswertung der Fangbücher oder Beschwerden der Mitglieder wegen nachlassender Fänge. Die Ursache hierfür muss aber nicht zwingend der Otter sein, dementsprechend ist es nicht immer sofort klar, ob es für den Fangrückgang nicht auch andere Gründe gibt. Ein Mitglied der Isarfischer hat mir freundlicherweise einige Bilder zu Fischotterrissen im Gebiet der Stadtisar zur Verfügung gestellt. Hier sieht man recht schön, dass der Otter besonders gerne den Bereich zwischen den Brustflossen anschneidet.

Was die Wenigsten bisher wissen: Das Land Bayern hat seinen eigenen Fischotter Management Plan. Dieser besteht aus aktuell noch aus drei Säulen: Beratung, Prävention und Entschädigung. Die vierte angedachte Säule ist die die Entnahme einzelner Tiere. Für die Beratung gibt es, ähnlich wie beim Biber, sogenannte Fischotterberater. Diese stehen betroffenen Teichwirten mit Rat und Tat zur Seite. Die Prävention besteht in erster Linie aus dem Bau von Zäunen und anderen für den Otter schwer zu überwindenden Hindernissen.

Bleibt nur zu hoffen, dass die Bestandsentwicklung und der Schutz des Fischotters sich nicht zu so einem ähnlichen Desaster entwickelt wie es zum Beispiel beim Kormoran stellenweise der Fall ist. Zwar ist der Abschuss des Kormorans per Verordnung  mittlerweile zeitweise erlaubt aber bis dahin war es ein langer und steiniger Weg den die anderen anerkannten Naturschutzverbände durch Klagen künstlich in die Länge gezogen haben. So kommt man als Angler oftmals zu der Überzeugung, dass der Natur- und Artenschutz an der Wasseroberfläche endet.

Fazit: Die Rückkehr des Fischotters ist ein gutes Beispiel, dass der Naturschutz auch im 21. Jahrhundert Früchte trägt. Die Steigerung der Biodiversität sollte allen aktiven Naturschützern ein Anliegen sein, auch wenn die Beweggründe hierfür oftmals unterschiedlicher Natur sind. Allerdings gilt es wie beim Beispiel Wolf und Kormoran auch beim Fischotter zu bedenken, dass sich diese Tiere in der vom Menschen geschaffenen Kulturlandschaft teils überproportional vermehren und es keinen bzw. kaum Fraßdruck seitens anderer Beutegreifer gibt, die regulierend auf die steigenden Bestände einwirken würden. Ein Gleichgewicht wird sich hier auf natürliche Weise nur sehr langsam einstellen und Kompromisse erfordern, die der Mensch nicht immer bereit ist einzugehen.

 

Autor dieses Artikels
Profilbild

Pete

Geboren 1984, Grundschule, Gymnasium, Uni, Ausbildung, Jagdschein, Fischereiaufseher, Jagdaufseher, Standaufsicht usw. Seit 2009 im Qualitätsmanagement einer Firma für Biosensoren/Schnelltests
Erste Angelschritte im Jahr 1990

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